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Petition gegen Besuchsverbote

Autorenbild: Auf- und UmbruchAuf- und Umbruch

Der BIVA-Pflegeschutzbund e. V. hat eine Petition gestartet, um das Besuchsverbot von Pflegeeinrichtungen an die Bedürfnisse der Bewohnenden anzupassen. Laut der Petition sind fast eine Millionen Bewohnende von Pflegeheimen von der Umsetzung der Besuchsbeschränkung betroffen. Der Verein, der sich für die Interessen von Pflegebedürftigen in Einrichtungen und deren Angehörigen einsetzt, beanstandet die „unverhältnismäßige Härte“ der Maßnahmen, die die „seelische und emotionale Gesundheit“ gefährden würden.


Beatmung, Sterbefälle & Petition


Hunderte Angehörige hätten in den letzten Wochen Rat des Pflegeschutzbundes eingeholt. Sie würden von Depressionen, mangelndem Lebensmut, Vereinsamung und Vernachlässigung ihrer Familienmitglieder berichten. Unter der Petition auf change.org sind vier beispielhafte Schilderungen von Angehörigen aufgeführt. In ihnen wird berichtet, dass der letzte Kontakt einer Familie zum Vater im Pflegeheim ein Zuwinken am Fenster gewesen sei. Die Familie habe regelmäßig Essen vorbeigebracht, bis der Anruf des Pflegeheims kam. In dem Telefonat wurde der Familie gesagt, dass sie das Vorbeibringen des Essens und die Besuche vor dem Haus unterlassen sollten.

Die COVID-19-Gefahr für die Bewohnenden ist erheblich. 70 bis 79-jährige starben nach einer chinesischen Studie in 8 Prozent der Fälle an COVID-19, während die Letalität der über 80-jährigen bei 14,8 Prozent lag. In einem Videobeitrag des Spiegels hingegen warnte der Palliativ-Mediziner Dr. Matthias Thöns vor den Gefahren der Beatmung. „Von dieser Beatmung bei einer schweren Lungenentzündung erholt sich der Körper alter Patienten so gut wie nie.“ Es sei bekannt, dass ein hoher Anteil bereits während der Beatmung versterbe. „Ein weiterer sehr hoher Anteil von den wenigen Überleben hinterher in einem ganz ganz schlechten Zustand die letzten Lebenswochen oder -monate dahinsiechen muss.“ Die Chancen in ein selbstbestimmtes Leben zurückzukommen seien bei hochaltrig vorerkrankten Patienten „minimal bis fehlend“. Ein hoher Anteil soll nach der Aussage des Mediziners eine Beatmung unter diesen Umständen ablehnen.


BIVA-Pflegeschutzbund e. V. steht Rede und Antwort


Dr. David Kröll, Pressesprecher des BIVA-Pflegeschutzbundes stand Kurz & Knapp: QM in der Pflege Rede und Antwort zur Petition. Die Petition wurde ins Leben gerufen, weil die Ergebnisse einer Online-Umfrage und Beratungsanfragen zeigen, „dass eine vollständige Abschottung der Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls gravierende Auswirkungen“ habe. „Wir hören von Bewohnern, die nach einigen Wochen ohne ihre Angehörigen im Krankenhaus an Dehydrierung sterben, vom Todeswunsch von Bewohnern, die starke Einsamkeit verspüren, oder von demenziell Veränderten, deren noch erhaltenen kognitiven Fähigkeiten innerhalb kurzer Zeit stark nachlassen, seit ihre Bezugsperson fehlt.“ Ärzte und Therapeuten würden nicht in allen notwendigen Fällen Eintritt gewährt. Unter Einhaltung verbindlicher Hygienevorschriften sollten Besuche möglich gemacht werden. Besonders sollte das Recht auf Sterbebegleitung durchgesetzt werden. Dies hatte auch Kanzlerin Merkel in Ihrer Rede am 15.04.2020 formuliert. Kroll erklärt: „Wir wollen, dass der Beitrag und die Notwendigkeit von Besuchen für Pflegeheimbewohner gesehen und in verantwortbarem Umfang möglich gemacht wird.“

Der Infektionsschutz steht an oberster Stelle in der Bekämpfung von SARS-CoV-2. Darüber ist sich auch Kroll bewusst. „Einzig gute Hygiene- und sinnvolle Organisationsmaßnahmen können den Schutz vor Ansteckung sicherstellen.“ Die sollten für das Personal gelten und in angepasster Form auch für Besuchende. „Zuallerst müssen beide Personengruppen mit ausreichend Schutzkleidung ausgestattet werden.“ Dabei lobt der Pressesprecher der BIVA Einrichtungen, die kreative Lösungen erarbeiten, um Besuche zu ermöglichen. „Das ist mühsamer und kostensintensiver als ein Besuchsverbot auszusprechen, ist aber angesichts der negativen Folgen sozialer Isolation notwendig“, erklärt Kroll. In nächster Zeit wird in Pflegeheimen nicht zur Normalität übergegangen werden. „Da ist es jetzt an der Zeit, dauerhafte Lösungen zu finden.“ Die soziale und psychische Lage der Bewohnenden ist in vielen Einrichtungen ernst. „Soziale Isolation hat gravierende Auswirkungen auf die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen“, sagt Kroll. „Angehörige berichten von Depressionen, mangelndem Lebensmut, Vereinsamung und Vernachlässigung ihrer Familienmitglieder.“ Hilftätigkeiten, die Familienmitglieder regelmäßig in der Zeit vor Corona leisteten, sind nicht mehr möglich. Deshalb „fürchten sie einen rapiden körperlichen und seelischen Abbau“ ihrer pflegebedürftigen Eltern und Großeltern. Besonders belastet seien die Angehörigen aber von der oft nicht gewährten Sterbebegleitung. Kroll gibt zu bedenken: „Dass man sich nicht verabschieden konnte, kann einem noch lange nachgehen.“

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