Der plötzliche Koalitionsbruch der Ampel-Regierung hat nicht nur politische Verwerfungen ausgelöst, sondern bedroht auch zentrale Reformprojekte in der Pflegebranche und darüber hinaus. Neben dem Pflegekompetenzgesetz (PKG) und dem Krankenhausversorgungsgesetz (KHVVG), ist auch das Wachstumspaket zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte von den politischen Turbulenzen betroffen. Welche Reformen sind in Gefahr, und wie hängen diese Entwicklungen zusammen?
1. Das Pflegekompetenzgesetz (PKG)
Das Pflegekompetenzgesetz sollte ein zentraler Meilenstein der Ampel-Koalition werden. Ziel war es, Pflegefachkräften erweiterte Kompetenzen in der Versorgung und Entscheidungsfindung zu übertragen. Dadurch sollte der Beruf attraktiver gemacht und die Qualität der Pflege verbessert werden.
Das PKG befindet sich aktuell noch in der Erarbeitungsphase und hat keine der entscheidenden Hürden, wie den Bundestag oder Bundesrat, passiert. Der Gesetzesentwurf liegt zwar im Bundesgesundheitsministerium vor, jedoch steht er hinter anderen Vorhaben in der Prioritätenliste zurück.
Der politische Stillstand nach dem Koalitionsbruch gefährdet die Umsetzung. Der vollständige Gesetzgebungsprozess ist zeitaufwendig und könnte bis zum Ende der Legislaturperiode 2025 nicht mehr abgeschlossen werden. Außerdem wurde die Pflege in der Aufzählung unaufschiebbarer Gesetzesvorhaben von Bundeskanzler Olaf Scholz nicht einmal erwähnt – ein klares Zeichen, dass andere Themen wie Haushalt und Wirtschaftspolitik derzeit Vorrang haben. Auch die föderalen Zuständigkeiten könnten für Verzögerungen sorgen, da der Bundesrat einer Zustimmung bedarf.
Quellen:
2. Das Krankenhausversorgungsgesetz (KHVVG)
Am 22. November 2024 hat der Bundesrat das Krankenhausversorgungsgesetz (KHVVG) verabschiedet. Mit diesem Beschluss ist das Gesetz offiziell am Ende seines legislativen Prozesses angekommen. Es bedarf keiner weiteren Hürden oder Abstimmungen mehr, da sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat ihre Zustimmung gegeben haben. Damit kann das Gesetz wie geplant in Kraft treten, und die Umsetzung der Reform beginnt nun auf Ebene der Länder und der betroffenen Kliniken.
Trotz des erfolgreichen Abschlusses des Gesetzgebungsverfahrens hat das Koalitions-Aus der Ampel-Regierung dennoch Einfluss auf die Umsetzung des KHVVG und die damit verbundenen politischen Rahmenbedingungen:
Obwohl das Gesetz verabschiedet wurde, hängt die erfolgreiche Umsetzung von einer stabilen Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kliniken ab. Die politische Instabilität durch das Koalitions-Aus könnte sich negativ auf die praktische Ausgestaltung auswirken, insbesondere wenn Konflikte zwischen den Ministerien oder mit den Ländern über die konkrete Finanzierung oder die Prioritäten entstehen. Das KHVVG stellt Kliniken zusätzliche Mittel zur Verfügung, doch der langfristige finanzielle Bedarf ist hoch. Ohne eine stabile Regierung könnten Nachbesserungen oder notwendige Folgefinanzierungen ins Stocken geraten, insbesondere wenn sich keine klare Mehrheit im Bundestag findet, um zusätzliche Mittel zu bewilligen.
Das Koalitions-Aus hat den Gesetzgebungsprozess für andere Gesundheitsreformen, wie das Pflegekompetenzgesetz (PKG), stark verlangsamt oder gar blockiert. Die umfassende Modernisierung des Gesundheitswesens, deren Erfolg vom Zusammenspiel mehrerer Reformen abhängt, ist somit gefährdet. Das KHVVG allein kann zwar die Krankenhauslandschaft stabilisieren, adressiert jedoch nicht alle systemischen Probleme des Gesundheitswesens.
3. Das Wachstumspaket und die Fachkräftestrategie
Auch wirtschaftspolitische Reformen stehen auf der Kippe. Ein wichtiger Bestandteil der Ampel-Agenda war das Wachstumspaket zur Anwerbung ausländischer Fachkräfte, das darauf abzielte, den Fachkräftemangel in Deutschland zu mindern. Es beinhaltete steuerliche Anreize für Zuwanderer sowie Maßnahmen zur Erleichterung der Einwanderung.
Das Wachstumspaket wurde vor dem Koalitionsbruch nach intensiven Verhandlungen beschlossen. Doch die politische Instabilität gefährdet die Umsetzung. Viele der geplanten Maßnahmen könnten verzögert oder gestoppt werden, da der Fokus der Politik derzeit auf der Haushaltsstabilisierung liegt. Insbesondere die steuerlichen Anreize für Fachkräfte sowie die vereinfachten Zuwanderungsprozesse stehen in der Schwebe. Dies ist ein Rückschlag für Deutschland, da wir dringend auf qualifizierte Zuwanderer angewiesen sind, um den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel abzufedern.
Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte ist auch für die Pflegebranche essenziell. Ohne ein klares Wachstumspaket droht eine Verknappung an qualifizierten Pflegekräften, was die ohnehin prekäre Personalsituation weiter verschärfen könnte. Der Stillstand in der Fachkräftestrategie verstärkt somit die negativen Auswirkungen des Koalitionsbruchs auf die Pflege.
Mehr dazu findest Du auch hier in unserem Blogbeitrag zu dem Thema!
Die Auswirkungen des Scheiterns
Ohne das PKG bleibt die Attraktivität des Pflegeberufs unzureichend gestärkt. Dies könnte dazu führen, dass noch mehr Pflegekräfte den Beruf verlassen oder ins Ausland abwandern. Gleichzeitig stehen kleinere Kliniken ohne die Unterstützung durch das KHVVG vor dem Risiko der Insolvenz, was insbesondere in ländlichen Regionen die Versorgungssicherheit bedroht.
Auch das Wachstumspaket könnte einen wichtigen Beitrag leisten, indem es den Fachkräftemangel nicht nur in der Pflege, sondern auch in anderen Branchen adressiert. Das politische Tauziehen um die Umsetzung dieser Maßnahmen riskiert, Deutschlands Attraktivität als Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte zu schwächen.
Fazit: Politische Unsicherheit trifft auf akuten Reformbedarf
Das Ende der Ampel-Koalition hat zentrale Reformprojekte in der Pflege und der Fachkräftestrategie ins Wanken gebracht. Während das PKG noch in der Pipeline steckt und von fehlender Priorisierung bedroht ist, hat das KHVVG bereits wichtige Hürden passiert. Gleichzeitig gerät das Wachstumspaket ins Schwanken, was Deutschlands Position im globalen Wettbewerb um Fachkräfte schwächt.
Die nächsten Monate werden entscheidend sein, ob eine neue Regierung oder politische Kompromisse den Stillstand überwinden können. Andernfalls droht eine Verschärfung des Fachkräftemangels – nicht nur in der Pflege, sondern in der gesamten Wirtschaft.
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