Erste Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie von SARS-CoV-2 wurden nach Ostern gelockert. Die Epidemie scheint in Deutschland derzeit unter Kontrolle. Doch die Diskussionen reißen nicht ab, während es einige Stimmen deutlichere Lockerungen fordern, warnen andere vor möglichen Konsequenzen der jetzt getätigten Lockerungen.
Vereinsamung in Pflegeheimen
In Pflegeheimen droht den Bewohnenden soziale Isolation. In vielen Bundesländern können sie keinen Besuch von ihren Verwandten empfangen. Die Bundeskanzlerin gab auf der Pressekonferenz zu den Lockerungen der Maßnahmen bekannt, dass dies ein Gesprächsthema war. „Hier wird es wichtig sein, dass wir individuelle Konzepte entwickeln, um nicht die soziale Isolation der Menschen in diesen Heimen zu haben“, dabei sollten allerdings die Sicherheitsstandards nicht angetastet werden, so Merkel. Erste Pflegeheime und Unternehmen haben bereits reagiert und Konzepte entwickelt. Der MDR berichtete über eine Einrichtung im thüringischen Gerstungen, dass „Fensterbesuche“ anbietet. Auf beiden Seiten steht ein Tisch, um den Abstand sicherzustellen. Die Besuchenden und Bewohnenden freuen sich über diese Möglichkeit. Auch eine Firma aus den Niederlanden, die temporäre Unterkünfte für Events und Festivals bereitstellt, hat sich etwas einfallen lassen. Flexotels bietet Faltcontainer mit Plexiglassscheibe und Funkverbindung an, um Altenheimbewohnenden Kontakt zu ihren Lieben zu ermöglichen. Bis zu 15 Treffen können so jeden Tag durchgeführt werden.
Hitzige Diskussion bei Lanz
Die Wissenschaft lernt stetig dazu, wenn es um das neue SARS-CoV-2-Virus geht. Im Laufe der Zeit änderten sich auch immer wieder die relevanten statistischen Erhebungen. Zunächst wurde besonderes Augenmerkt auf den Zuwachs der Infektionsrate gelegt, um von der Verdopplungszeit abgelöst zu werden. Zurzeit ist sich die Fachwelt einig, dass die Ansteckungsrate (R1) – wie viele Neuinfektionen eine Infizierte auslöst - die wichtigste Kennzahl ist. Sie liegt zurzeit nach Aussagen des Robert Koch Instituts bei 0,7. Um die Infektion weiter unter Kontrolle zu halten wurden vorsichtige Lockerungen geübt. So besteht beispielsweise die Kontaktbeschränkung weiterhin in ganz Deutschland. Ramelow, Ministerpräsident Thüringens, machte bei Markus Lanz‘ Talkshow klar: „Wir wollen die Gesundheitsämter stärken, damit die Nachverfolgung erfolgen kann. Damit wir das miteinander schaffen.“ Eine mögliche Herangehensweise ist weiterhin eine App zur Nachverfolgung. „Die Frage der App habe wir einstimmig gestern bestätigt.“ Dabei stellte der Politiker der Linken heraus: „Eine App bei der Fremde mitkriegen, wer wohin geht, ist nicht die App, um die es geht.“ Auch bei Lanz geladen war Mai Thi Nguyen-Kim, die Journalistin, die unter dem Namen maiLab Quarks moderiert. Sie tritt den Lockerungen mit kritisch entgegen. „Wenn wir den Überblick zurückgewinnen, durch Senkung der Fallzahlen, Ausbau von Tests und Krankheitsverfolgung, dann kommen wir in den Zustand, dass wir sagen können, dass wir so normal leben können, dass wir nicht in diesem schrecklichen Dilemma zwischen Menschenleben, Wirtschaft und Gesellschaft sind.“ Sie beharrt darauf, dass wir die Auswirkungen der Lockerungen nicht absehen können. Vom Test zum Ergbenis dauert es rund zwei Wochen. Wir erkennen jede Veränderung in den Zahlen durch die Lockerungen erst zwei Wochen nach ihnen. Nguyen-Kim formuliert einen klaren Standpunkt. „Das beste was passieren kann, ist, dass wir auf der Stelle stehen. Das Risiko, dass wir mehrere Schritte zurückfallen ist groß.“
Ausbruch ist unter Kontrolle
Auch der Gesundheitsminister Spahn gab eine Pressekonferenz. Er zieht eine positive Bilanz: „Der Ausbruch ist – Stand heute – wieder beherrschbar und beherrschbarer geworden.“ Das Spahn Recht hat lässt sich auch an den aktuellen Zahlen ablesen. Die Fallzahlen sinken, die Neuansteckungen liegen mittlerweile bei unter 4.000 pro Tag. Die Kurve ist tatsächlich abgeflacht. Dabei hat Spahn noch eine gute Nachricht im Gepäck: „Seit dem 12.4. genesen mehr Menschen als es Neuinfizierungen gibt. Wir haben 80.000 Genesende von gut 130.000, die sich bisher nach Zahlen des Robert Koch Instituts infiziert haben.“ Weiterhin hat Deutschland auch erheblich weniger Tote zu beklagen als andere Länder. In Deutschland sind – Stand 19.04. – 4.110 Menschen an COVID-19 verstorben. Das ist im internationalen Vergleich – auch und gerade – gemessen an den Fallzahlen ein gutes Ergebnis. Das weiß auch Spahn: „Bei der Bewältigung Corona-Epidemie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich gut ab, das macht uns demütig, aber nicht übermütig.“ Die Politik arbeitet gemeinsam mit der Wissenschaft daran, dass wir diese Krise gut überstehen. Beurteilt werden können die Maßnahmen trotzdem nur retrospektiv. Deswegen ist Vorsicht weiterhin das Gebot der Stunde, denn letztlich geht es uns allen darum, was Ramelow auf den Punkt brachte. „Ich will Corona weghaben!“
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